SAXORUM, Sächsische Landeskunde, digital

Jüdische Gelehrte an der Universität Leipzig. Teilhabe, Benachteiligung und Ausschluss. Ein Webportal

Das Leipziger Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow ist ein interdisziplinär ausgerichtetes Institut zur Erforschung jüdischer Lebenswelten in Mittel- und Osteuropa vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Im Kontext des Verbundprojekts “Virtuelle Archive” wird hier eine Ausstellung entwickelt, die sich jüdischen Akademikern widmet, die im 19. und 20. Jahrhundert in Sachsen, insbesondere an der Universität Leipzig, studiert und gewirkt haben. Sie beschreibt den Beginn jüdischer Teilhabe im Wissenschaftsbetrieb, zeigt Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Beteiligung auf, und schildert den Ausschluss von Gelehrten mit jüdischem Hintergrund aus der akademischen Berufswelt. Damit wirft die Ausstellung ein Schlaglicht auf die ambivalente ökonomische und gesellschaftliche Modernisierung in Sachsen. Für Juden brachte diese historische Epoche nicht nur die formale rechtliche Gleichstellung. Die rasante Entwicklung von Bildung und Wissenschaft ging mit neuen Berufsperspektiven einher. Viele der etwa 12.000 Juden, die um die Jahrhundertwende im Königreich lebten – nicht einmal ein halbes Prozent der Gesamtbevölkerung –, strebten für ihre Kinder eine Ausbildung an höheren Schulen und Hochschulen an. Die hohe Anziehungskraft, die moderne Bildung und Wissenschaft auf Juden ausübte, ist umso erstaunlicher, als noch wenige Jahrzehnte zuvor die jüdische Bevölkerung vornehmlich an religiöser Bildung interessiert war. Nun aber versprachen akademische Berufe sozialen Aufstieg und gesellschaftliche Anerkennung.

Doch der Einritt von Juden in die akademische Berufswelt verlief nicht ohne Hindernisse. Hielten sie an ihrem Glauben fest, begegnete man ihnen nicht selten mit Misstrauen; insbesondere die Anstellung in der staatlichen Verwaltung und Professuren an Hochschulen blieben ihnen oft verwehrt – auch an der Universität Leipzig. Sowohl hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Rufes als auch mit Blick auf die große Zahl der hier eingeschriebenen Studenten gehörte sie zu den bedeutendsten des Deutschen Reiches. Als protestantische Landesuniversität blieb sie an das in Sachsen vorherrschende konservative Staats- und Gesellschaftsverständnis gebunden. Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten sollten Akademiker mit jüdischem Hintergrund bald die Entwicklung in vielen Wissenschaftsbereichen prägen und in bestimmten Berufsfeldern, etwa unter Ärzten und Anwälten, besonders zahlreich vertreten sein. Noch in der Weimarer Republik setzte sich diese Entwicklung fort, bis sie von den Nationalsozialisten für immer beendet wurde.

Der Zugang zur Ausstellung erfolgt über thematische Kapitel. Hier werden Zusammenhänge erläutert, zum Beispiel die Bedeutung von Bildung als bürgerliches Aufstiegsversprechen, und spezielle akademische Felder beschrieben, etwa die Entwicklung jüdischer Teilhabe in der Medizin oder in den Naturwissenschaften. Alternativ dazu bietet ein Namensregister und eine Seite mit exemplarischen Kurzbiografien die Möglichkeit, personenbezogene Informationen einzusehen, unter anderem Quellenbestände aus dem Universitätsarchiv. Das Programmfenster “Datenbankrecherche” erlaubt den Zugriff auf die Matrikeldatenbank jüdischer Studenten an der Universität Leipzig. Anhand ausgewählter Visualisierungen, etwa der geografischen Herkunft von Juden an der Alma Mater Lipsiensis oder der Berufsstruktur der Väter, wird das Erkenntnispotenzial der Datenbank aufgezeigt. Mit der Verbindung von datenbasiertem Wissen, Überblickstexten und biografischen Skizzen richtet sich die Online-Ausstellung an Interessierte aus den Bereichen Forschung, Lehre und Unterricht.

Projektseite des Dubnow-Instituts: http://www.dubnow.de/forschung/gelehrtenprojekt/

Projektvorstellung auf Hypotheses (mit Kommentarfunktion): https://saxorum.hypotheses.org/2496

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