
Bibliotheksgeschichte zum Mitmachen
Illustre Bibliotheksgäste 1753-1813
Wollen Sie mit uns gemeinsam die Besucherinnen und Besucher der Kurfürstlich-Königlichen Bibliothek in Dresden kennenlernen? Oder mit uns die eingetragenen Leserinnen und Leser der Bibliothek ermitteln? Rund 16.300 Besucherinnen und Besucher haben sich in das „Fremden-Buch“ eingetragen. Dies sind einige der vielen prominenten Gäste mit ihren originalen Unterschriften im Besucherbuch:
Nicht weniger interessant als die berühmten Männer (und zunächst wenigen bekannten Frauen) sind aber die verschiedenen Berufsgruppen, darunter namhafte Handwerker-Künstler, die Schüler der Kreuzschule, um nur Beispiele zu nennen. Der Anteil der Frauen steigt sehr langsam, aber stetig. Zu vielen Namen gibt es nur unvollständige biographische Daten. Deshalb sind Nachweise von Besuchen in Bibliotheken und Museen für biographische Forschungen des In- und Auslands so hilfreich und willkommen.
Die Bibliothek im Zwinger und im Japanischen Palais
Die 1556 gegründete Kurfürstliche Liberey wurde 1728 aus dem Residenzschloss in drei Pavillons des Dresdner Zwinger überführt. Der Hofkaplan und Bibliothekar Johann Christian Götze begann einige Jahre später, regelmäßig über die Sehenswürdigkeiten zu berichten. In seinen „Merckwürdigkeiten der Königlichen Bibliotheck zu Dreßden“ beschrieb er mehr als 400 wertvolle Handschriften und Drucke, darunter zahlreiche Unikate und Kostbarkeiten, die ein interessiertes Publikum von nah und fern anlockten. Als Nr. 1 verzeichnete Götze „Ein Mexicanisches Buch mit unbekannten Charactern und Hieroglyphischen Figuren“, das er selbst in Wien entdeckt und für den Dresdner Hof erworben hatte. Diese ungewöhnliche Handschrift wurde erst Jahrzehnte später als Maya-Kalender erkannt und entziffert – sie ist auch heute noch in der Schatzkammer des Buchmuseums zu besichtigen und lockt wie früher Besucher aus aller Welt an.
Spätestens nach dem Ankauf der beiden Privatbibliotheken der Grafen Brühl und Bünau wurde es im Zwinger viel zu eng. So wurde die Kurfürstlich-Königliche Bibliothek 1786 in den beiden Obergeschossen des Japanischen Palais neu aufgestellt und zugänglich gemacht. Im Erdgeschoss konnte die Antikensammlung und im Untergeschoss die Porzellansammlung besichtigt werden. Die Kurfürstlich-Königliche, seit 1786 Königlich-Öffentliche Bibliothek ist 1918 in Sächsische Landesbibliothek umbenannt worden und blieb bis zur Zerstörung 1945 im Japanischen Palais beheimatet.



Das Besucherbuch 1753-1813 – und wie wir es erschließen wollen
Die Bibliothek, die Antikensammlung, das Kupferstichkabinett und die Porzellansammlung führten „Fremdenbücher“, in denen sich viele Gäste eintrugen. Das Besucherbuch der Kurfürstlich-Königlichen Bibliothek aus dem Zeitraum 1753-1813 ist mit seinen 16.300 Eintragungen sehr gut erhalten und wird häufig als Quelle für Geschichtsforschungen nachgefragt. Die mehr als 500 Seiten sind deshalb online frei zugänglich.
Bislang sind die Namen der Besucherinnen und Besucher erst vorläufig erfasst, aber noch nicht geprüft und noch nicht veröffentlicht.
Das wollen wir, die SLUB und die Sächsische Bibliotheksgesellschaft, ändern. Und Sie können uns dabei helfen, denn die Erfassung und Identifizierung von mehr als 16.300 Namen benötigt Zeit und Sorgfalt. Wollen Sie ein Mitglied des Arbeitsteams werden?
Diese nächsten Arbeitsschritte haben wir vor:
Wir wollen Seite für Seite alle Eintragungen manuell transkribieren, lesbar und durchsuchbar machen. Dabei hilft uns die Software eScriptorium, die ein zeilengenaues Abschreiben technisch unterstützt. Nach etwas Übung ist diese Arbeit auch von zu Hause aus leicht möglich.
Nach der Abschrift werden in einem nächsten Schritt die Namen mit Datenbanken (Normdaten, Wiki-Daten, Online-Lexika) abgeglichen und schließlich korrekt erfasst. Am Ende sollen alle 16.300 Namen identifiziert und leicht suchbar sein.
Warum wir wissen wollen, wer die Bibliothek besuchte und benutzte
Die Bibliothek im Zwinger und im Japanischen Palais war neben den Kunstsammlungen eine der wichtigsten kulturellen Dresdner Anziehungspunkte für Forschende und Touristen. Bekannt ist, dass viele Adlige und Gelehrte seit dem 16. und 17. Jahrhundert auf „Grand Tour“ gingen, also mehrmonatige, manchmal mehrjährige Bildungsreisen unternahmen, um verschiedene Sprachen und Länder kennen zu lernen. Bevorzugte Ziele waren dabei Italien, Frankreich oder England mit ihren bedeutenden Sehenswürdigkeiten. Weniger bekannt ist, wie viele Diplomaten, Künstlerinnen und Wissenschaftler sowie Bildungshungrige verschiedener Herkunft und gesellschaftlicher Zugehörigkeit seit Beginn des internationalen Tourismus Deutschland bereisten. Schon um 1800 kamen Besucherinnen und Besucher aus Europa, Russland und Amerika nach Dresden. Die Gästebücher aus dem Zwinger und aus dem Japanischen Palais sind deshalb ein Spiegel der Welt des 18. und 19. Jahrhunderts, ein Who‘s who des Adels und der Diplomatie, des Militärs und der Verwaltung, der Wissenschaften und der Künste, aber auch des Handels, des Kunsthandwerks und der Universitäten und Schulen.
Die Erschließung des Besucherbuchs hilft dabei, die Bildungs- und Tourismus-Geschichte Dresdens besser zu verstehen: Welche Berufsgruppen besuchten die Bibliothek? Aus welchen Ländern und Städten kamen die Besucherinnen und Besucher, was lockte sie nach Dresden? Die Reisenden kamen einzeln oder auch in kleinen und kleinsten Gruppen, Adelsfamilien, Künstler und Musiker, auch Studierende und Schüler. Die Erschließung des Besucherbuchs verstehen wir deshalb nicht zuletzt als Beiträge zum 200. Jubiläum der Dresdner Technischen Universität 1828-2028 und zur Fortschreibung der Dresdner Bibliotheks- und Kulturgeschichte.
Eine weitere Quelle: Die Verzeichnisse der Leserinnen und Leser
Neben dem Besucherbuch bewahrt die SLUB auch die Verzeichnisse der Leserinnen und Leser aus den Jahren 1826 bis 1879, die inzwischen ebenfalls digitalisiert und online zugänglich sind.
Die Namen wurden vom Bibliothekspersonal aufgeschrieben und sind leichter zu lesen als die individuellen Unterschriften in den Besucherbüchern. Dennoch müssen auch diese rund 10.000 Namen abgeschrieben und zuverlässig identifiziert werden. Hier ist es interessant zu sehen, wie sich die Leserschaft im 19. Jahrhundert veränderte, wie z. B. die Zahl der Leserinnen, der Handwerker, der Studierenden und Schüler stark zunahm. Im Verzeichnis von 1826 sind auf einer Seite eine Prinzessin, der Hofarzt Carus, der Polizeipräsident und mehrere Kreuzschüler zu finden, sie alle haben gleichzeitig Bücher ausgeliehen. Bei Studierenden und Schülern wurden die Namen von Bürgen hinzugefügt, das konnten Offiziere, Professoren und Lehrer oder Mitglieder des Hofstaates sein. Viele der jungen Nutzerinnen und Nutzer zählten später zu den angesehensten Persönlichkeiten.
Wir wollen also bislang kaum bekannte und wenig genutzte Dokumente für die Bibliotheks- und Lesergeschichte bestmöglich zugänglich machen. Die erfassten Kulturdaten sind für unterschiedliche Disziplinen von Nutzen: Allgemein für die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, und speziell für die Schul- und Universitätsgeschichte, für die Lokal- und Regionalgeschichte, für die europäische Bildungs- und Tourismusgeschichte. Die Einträge sind zudem wertvolle Mosaiksteine für zahlreiche einzelbiographische Forschungen.
Erst wenn die zahlreichen Namen aus den Besucherbüchern und Leserverzeichnissen identifiziert und erfasst sind, könnten nach und nach auch die vielen ausgeliehenen Buchtitel aus den Ausleihjournalen erfasst werden. An interessanten Quellen, die auf Bearbeitung und Auswertung warten, gibt es also keinen Mangel.
So können Sie mitmachen!
Können Sie sich vorstellen, an der Erschließung und Veröffentlichung des Besucherbuchs und der Leserverzeichnisse mitzuwirken? Dann laden wir Sie gerne zu einem Besucherbuch-Kaffee in die SLUB ein. Sie können sich umfassend vor Ort informieren und dann entscheiden, ob sie mitwirken wollen. Die Erschließungsarbeiten können in der Bibliothek oder zu Hause am eigenen Schreibtisch vorgenommen werden.
Haben Sie Interesse? Dann schreiben Sie uns!
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Bürger, Sächsische Bibliotheksgesellschaft e.V., buerger@saebig.de
Weiterführende Links
- Das Besucherbuch in den Digitalen Sammlungen der SLUB: https://digital.slub-dresden.de/id304539376
- Die Leserverzeichnisse in den Digitalen Sammlungen der SLUB: https://digital.slub-dresden.de/id1912146908
- Webseite der Sächischen Bibliotheksgesellschaft: https://www.slub-dresden.de/en/mitmachen/saechsische-bibliotheksgesellschaft-saebig